Freitag, 22. Juni 2018

Monto do Gozo - Santiago de Compostela


Am Ziel meines Pilgerweges

Die letzte Nacht war grausig. Draußen unterhielten sich Männer lange sehr laut, die Betten quietschten bei jeder Bewegung und Veronika schnarchte. Ich schaute stündlich auf die Uhr und um fünf hielt es mich nicht mehr im Bett. Noch vor halb sechs lief ich los.
Ich ging erst noch einmal nach oben zu den Pilgerstatuen und schaute, wie sie, auf die unten liegende Stadt. Ich konnte mir gut vorstellen, wie es ihnen gegangen sein musste.
Der einzige Wermutstropfen war, dass die Kathedrale nicht beleuchtet war. Wenn ich nicht gestern Abend schon mal kurz für ein Foto in die Richtung geschaut hätte, wüsste ich jetzt im Dunkeln nicht einmal, wo sie sich befindet.
Mit gemischten Gefühlen machte ich mich auf meine letzte Etappe auf dem Camino de Santiago.
Viele Strecken auf meinem Weg war ich allein gegangen und nun würde ich ihn allein beenden. Außer einem Café hatte alles noch geschlossen. Drei junge Leute, die scheinbar von einer Feier kamen, liefen mir entgegen und ein paar wenige Autos fuhren auf der Straße, mehr war nicht unterwegs.
Es waren nur knapp 5 Kilometer noch zu laufen und bald erreichte ich die Altstadt von Santiago. Von weitem sah ich einen der Türme der Kathedrale.
Ein LKW fuhr in einer engen Gasse an mir vorbei, sonst war Stille. Manche Häuser standen leer und könnten eine Restaurierung und Leben gebrauchen, an anderen stand ein Gerüst.
Die Ausschilderung des Weges forderte noch mal volle Aufmerksamkeit und dann kam ich plötzlich auf einen kleinen Platz. Links von mir sah ich die Kathedrale. War es das jetzt? Nein! Das war ein Seiteneingang am Praza da Inmaculada. Ich lief weiter gerade aus durch ein Stadttor mit Kreuzgewölbe und dann stand ich auf dem Kathedralsvorplatz, dem Praza do Obradoiro. In diesem Moment schlugen die Glocken 7 Uhr. Cool - Einmarsch mit geläut. :-)
Ein Pärchen lag im Schlafsack mitten auf dem Platz und ein Pilger versuchte ein Selfy mit sich und der Kathedrale hinzubekommen. Ich ging zu ihm, gratulierte zur Beendigung seines Pilgerweges und bot an, ihn zu fotografieren. So kam ich dann auch gleich an mein Bild.
Ich hatte keine Erwartung oder Vorstellung, wie es sein würde, wenn ich endlich vor der Kathedrale stehen werde. Nun war ich da. Einfach da. Auf einem fast leeren Platz vor einer Kathedrale, deren Eingangsportal eine Baustelle war. Da war, bis auf das Glockenläuten nichts erhabenes, befreiendes oder rührendes. Ok, aber ich war da.
Ich lief zurück Richtung Seiteneingang. Da begegnete mir auf der Treppe unterm Tor Steffi aus Graz. Sie erkannte mich wieder, fiel mir um den Hals, gratulierte mir und ich ihr und sie weinte vor Glück. Das war schon etwas emotional. Steffi war gestern schon angekommen und ging nun weiter nach Finisterre. Vielleicht treffen wir uns noch bei ihrer dortigen Ankunft.
Ich ging in die Kathedrale. Dort waren mit mir gerade mal 4 Pilger. Alles war still. Der Aufgang zum Jacob war noch geschlossen. Den soll man ja von hinten umarmen, dann hätte man erst die Wallfahrt beendet.
Das mit Gold überladene Innenleben war nicht so meins und ich verließ die Kathedrale wieder. Es war inzwischen dreiviertel acht und so langsam kamen ein paar Pilger eingetrudelt. Manche waren überwältigt und weinten, andere setzten oder legten sich auf den Platz und wieder andere standen so ratlos da, wie ich.
Da kam Veronika um die Ecke. Sie gehörte zu den glücklich weinenden. Wir lagen uns in den Armen.
Sieben Wochen waren wir gemeinsam gelaufen. Und jetzt? Einfach so zu Ende?
Wir liefen zum Pilgerzentrum und holten uns unsere „Compostela“. Das war auch nichts erhebendes. Wie auf der Führerscheinstelle wurden die freien Plätze der „Beamten“ angezeigt und ein Pilger nach dem anderen zeigte seinen Pilgerpass, wurde registriert, bekam das mit Namen und Datum ergänzte vorgefertigte Papier in die Hand gedrückt. Ich geriet an einen jungen Spanier, dessen Handschrieft an die eines 2.-Klässlers erinnert. Nicht dass ich mir die Compostela irgendwohin hängen wöllte, aber ne schöne Schrift wär schon fein gewesen.
Am Pilgerzentrum war eine schöne kleine Kapelle, welche kaum von Pilgern wahrgenommen wurde, da sie mit anstellen für die Compostela zu tun hatten. Sie war sehr schön, hatte schlichte Holzfiguren hinterm Altar und echte Kerzen zum anzünden (nicht wie fast alle Kirchen nur elektrische Lichtlein). Dann gingen wir noch, in der nun etwas gefüllten Kathedrale, den Jacob umarmen und liegen dann durch die Altstadt. Ich setzte mich noch einmal eine Weile in die kleine Kapelle und hing meinen Erlebnissen der letzten Wochen nach. Hier kamen nun auch mir die Tränen.
12 Ubr trafen wir uns zur Pilgermesse. Inzwischen waren Massen von Pilgern und Touristen angekommen und die Kathedrale war brechend voll. Nach über einer Stunde Messe, wurde dann der Weihrauchkessel geschwungen. Das war schon sehr imposant.



Am Ziel? Ja! Aber ANGEKOMMEN? Wo oder bei was? Mehr in mir - auf alle Fälle!





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